Namenskultur

Hier in Ruanda gibt es eine ganz eigene Namenskultur. Anders als in Deutschland, gibt es hier keine Familiennamen. D.h., dass die Kinder nicht den gleichen Namen haben, wie ihre Eltern, auch die Geschwister und sogar die Ehepartner haben unterschiedliche Namen. Man kann also nicht, wie in Deutschland, aufgrund des Nachnamens auf die Verwandschaftsverhältnisse schließen. Normalerweise hat hier jeder zwei Namen, jedoch nicht einen Vor- und einen Nachnamen, sondern einen Namen auf der Landessprache in Keniaruanda und einen Namen in Französisch. Den ersten Namen, den in der Landessprache, erhält das Kind etwa einen Monat nach seiner Geburt. Während in Deutschland ein Kind normalerweise direkt nach der Geburt benannt wird, wartet man in Ruanda bewusst mindestens einen Monat ab, um das Baby erst einmal kennen zu lernen und dann einen Namen geben zu können, der auch wirklich zu dem Kind passt. Den zweiten, französischen Namen erhält man dann mit der Taufe. Da sich die meisten Leute hier erst im jugendlichen Alter taufen lassen, können sie sich diesen auch oft selbst aussuchen. Nicht selten sind dies dann Namen aus der Bibel, wie z.B. Samuel, Hiob, Sara oder Elisabeth. Als wir dann mal genauer nach der Bedeutung der Namen auf Keniaruanda gefragt haben, mussten wir oft herzhaft lachen und hatten auch das Gefühl, dass es manche Eltern mit der Suche nach einem passenden Namen nicht so genau genommen haben. Oft beziehen sich diese Namen nämlich ganz einfach auf die Situation, in der das Kind geboren wurde. So heißen hier viele Leute „Safari“ also „Reise“, was sich jedoch nicht darauf bezieht, dass das Kind auf einer Reise geboren wurde, sondern, dass zu dem Zeitpunkt der Geburt der Vater auf Reisen, also nicht zuhause war. Ein Freund von uns heißt „Buhake“, zu Deutsch „Feudalsystem“, auch in Deutschland eher ein unüblicher Name. Der Name des Pfarrers in Kiruhura, bezieht sich auf ein eher schwieriges Nachbarschaftsverhältnis: Da seine Eltern wohl mit den Nachbarn im Clinch lagen und seine Geburt in diese Zeit fiel, haben sie ihn „Muhozi“ genannt, was übersetzt so viel heißt wie: „Die böse Waffe gegen die Feinde“. Anscheinend hielt der Nachbarschaftsstreit jedoch länger an: Sein kleiner Bruder heißt nämlich übesetzt: „Die übertrieben böse Waffe gegen die Feinde“. Manchmal stellt sich jemand vor als „der Neunte“, also war er wohl das neunte Kind. Auch sind Namen wie „Regen“, „Donner“ oder „Auto“ nicht unüblich, welche sich auf das Wetter der Geburtsstunde oder den Geburtsort beziehen. Einige Eltern machen aus ihrer Einfallslosigkeit gar keinen Hehl und nannten ihr Kind einfach „Simbisi“, zu Deutsch „Ich weiß nicht“. Bitter ist es, wenn man „Schade“ heisst, da müssen die Eltern später wohl noch einiges erklären. Grundsätzlich ist es oft so, dass sich bestimmte Namen in einer bestimmten Altersgruppe sehr häufen. So ist es uns passiert, dass, als wir die Namen von einer Gruppe Jungs in CPAJ wissen wollten, sich ein Junge gemeldet hat und gesagt hat: „Ich heiße Jean Piere, alle anderen heißen Jean Claude!“ Hier gibt es übrigens noch eine Besonderheit: Es ist total unüblich, dass sich Eheleute gegenseitig mit Namen anreden. So sagt die Frau zu ihrem Mann z.B. „Pastor“, also benutzt einfach die Berufsbezeichnung. Der Mann nennt seine Frau einfach nach dem erstgeborenen Kind, also z.B. „Mama Sam“. Diese Benennungen gehen so in den allgemeinen Sprachgebrauch über, dass sogar wir die Frauen immer mit „Mama …“ anreden und deshalb oft ihren richtigen Namen gar nicht wissen. Auch werden alte Frauen einfach Umukekuru genannt, übersetzt: „alte Frau“, was hier jedoch eine respektvolle Anrede für Frauen ist, die das gebärfähige Alter überschritten haben. Die Steigerung davon ist dann „Kaka“, zu Deutsch „sehr alte Frau“ für diejenigen, für die die Bezeichnung „alte Frau“ eine glatte Untertreibung wäre.

3 Gedanken zu „Namenskultur

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